Kinder und Schulnoten

Wie wichtig ist es, in der Schule gute Noten zu haben? Nun, der Verfasser dieses Artikels hat da eine sehr persönliche, ökonomische Sicht der Dinge: Sie sind wichtig, wenn man damit ein Ziel erreichen muß, zum Beispiel die Versetzung, oder die Qualifikation für eine weiterführende Schule. Sie sind wichtig, wenn man ein Studium absolvieren möchte, dessen Zulassung von Schulnoten abhängt. Sie sind wichtig, wenn man sich mit Schulnoten für eine Ausbildung bewerben möchte. Ansonsten sollte man als ökonomisch denkender Schüler tunlichst folgendes ökonomische Prinzip einhalten: nämlich das Ziel definieren und dann mit möglichst geringem Aufwand dieses Ziel zu erreichen versuchen. Noten sind also Mittel zum Zweck, aber nicht Zweck an sich! Letztendlich geht es zwar auch um das vielgesprochene „Lernen fürs Leben“ – da aber Kinder und Jugendliche zahlreiche Phasen durchlaufen, in denen Vieles wichtiger erscheint (und ist) als die Schule, muss man die Noten mit Augenmaß und Weitsicht betrachten.

Ich hatte in meiner Schullaufbahn zwei kritische Phasen, die zu bestehen waren. Zum einen wollte ich nach der Mittleren Reife an einer Realschule auf das Gymnasium zurückwechseln (ich musste es nach der sechsten Klasse verlassen, ich war als zu blöd erkannt), um mein Abitur zu machen. Dafür brauchte ich einen definierten Notenschnitt, den ich gottseidank durch Gasgeben im entscheidenden letzten Halbjahr erreichte. Aber es war verdammt knapp. Zu der Zeit habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich – falls ich es nicht schaffe – vom Schuldach springe. (Die Alternative dazu war übrigens eine Aubildung zum Gärtner, was anderes hatte das Arbeitsamt damals für mich nicht in der Auswahl. Wahrscheinlich wäre ich also gesprungen, was aber natürlich nichts gegen den Beruf des Gärtners sagen soll.)

Zum anderen mußte ich später „passende“ Noten abliefern, um mein Abi zu bestehen. Hierbei habe ich eine „Punktlandung“ hingelegt, aber auch kaum einen Deut besser als nötig. Mein Abischnitt: 3,7. Damit war ich eigentlich der Schlechteste meines Jahrgangs, nur ein Mitschüler war noch schlechter, denn er war durchgefallen. Allerdings kämpfte er um drei Gnadenpunkte, bekam die auch noch, und schaffte sein Abi mit genau notwendigen 300 Punkten und einem Schnitt von 4,0. Damit war ich geschlagen. Im Kampf um die ökonomischste Leistung hatte ich aber gesiegt, denn ich musste nicht wie mein Mitschüler nach der Notenbekanntgabe noch die Betteltour machen. So erhöhte er seinen Input für sein Abi schlußendlich noch massiv 🙂 (Er ist übrigens heute angesehener Jurist.)

Mein Ziel nach der Bundeswehr war ein Wirtschaftsstudium, da brauchte es auch keine besondere Note, die Zulassung war frei. Und so konnte ich mit dem geringstmöglichen Aufwand mein Ziel, das Abi, erreichen. Das machte Sinn. Und ich nehme es vorweg: kein Mensch hat jemals nach meinen Schulnoten gefragt.

Doch war ich mir immer sicher, so wie meine Eltern und Lehrer wahrscheinlich auch, dass ich ein durchschnittlich dummer oder schlauer Bursche bin, der sich gottseidank erfolgreich durch die Schulzeit laviert hat. Denn was anderes sagten meine Noten aus? Die meisten anderen hatten die besseren Noten.

Dann, nach ein paar Flegeljahren im Anschluß an die Bundeswehrzeit, beschloss ich, mein Studium der Wirtschaftswissenschaften aufzunehmen. Ich war motiviert, wollte deutlich vor meinem 30. Lebensjahr fertig sein, und stellte fest, dass es auch für mich gar nicht so schwierig war, zu lernen, jetzt, da ich es selber wollte. Nach 8 Semestern, der Regelstudienzeit, war ich fertig, und das mit Prädikatsexamen*. Wow! Das passte ja gar nicht zu meiner Schulvita. War ich doch nicht so „doof“?

Ein paar Tage nach meiner letzten Prüfung hatte ich ein Vorstellungsmeeting bei einem Verlag in Bonn. Es wurde in einer Bewerbergruppe ein Intelligenz- und Persönlichkeitstest gemacht. Danach ging es auf den Hof, und alle warteten auf die Auswertung und die individuellen Gespräche. Als der erste aufgerufen wurde, da war ich gemeint. Aha, war mein Gedanke, die fangen hinten an. Doch weit gefehlt. Ich hatte den besten Test gemacht. Und bei der Intelligenz einen Prozentrang von 99 errreicht. Ich war baff! Ich war gar nicht so durchschnittlich, was meine intellektuellen Fähigkeiten anbelangte, ich war sogar das Gegenteil davon! Man hatte mich getestet, und ich war bei diesem Test z. B. im Bereich „Intelligenz“ besser als 99 % der – hauptsächlich akademischen – Vergleichsgruppe … Wer hätte das gedacht? (Nachtrag: In einem „offiziellen“ Mensa-IQ-Test wurde später ein Wert von 141 gemessen und sogar ein 100er Prozentrang. Ich frage mich also mehr denn je, ob Schulnoten und „Intelligenz“ irgendeine Verbindung haben …)

Vielleicht ja deshalb und trotz meiner sehr mittelprächtigen (sic …) Schullaufbahn geht es mir heute sehr gut. Na sowas! Wenn das der eine oder andere Pauker von früher wüsste … 28 Jahre nach meinem Abitur bin ich beruflich erfolgreich, finanziell abgesichert. Ich habe viele nette Freunde, eine wunderbare eigene Familie und bin (vermutlich) auch gesund. Und das, obwohl ich in der Schule fast ein Versager war. Ob mich nochmal jemand nach meinen Schulnoten fragen wird? Vielleicht meine Kinder, eines Tages. Und ich werde sie ihnen zeigen. Am liebsten mein Zeugnis aus dem zweiten Halbjahr meines ersten Durchgangs in der elften Klasse: zwei Dreier, eine in Sport, die andere in Chemie (dort bekamen alle als sozialistisches Experiment eine Drei, sogar ich) und der ganze Rest: Fünfen.

Und meine Moral von der Geschicht‘: wichtig sind die Noten nicht. Sie sagen nichts über die „Lebensfähigkeit“ oder gar die Intelligenz eines Kindes aus – und schon gar nichts über die soziale Kompetenz oder gar das Lebensglück. Also bleiben Sie gelassen, wenn ihr Kind in der Schule „schwächelt“. Auch mit schlechten Schulnoten kann man ein zufriedenes, glückliches und erfolgreiches Leben führen. Am Ende des Tages führen eben viele Wege auf den Olymp des Lebens!

*(Das Prädikatsexamen war wichtig, um die Option auf eine Promotion zu haben; auch hier also die Note als Mittel zum Zweck.)

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